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Heimat, ein Ort an den so vielerlei unterschiedliche Gefühle geknüpft werden, manche flüchtig, flüchtend aufleuchtend, manche bleibend für ein Leben. Es sind Gefühle wie Geborgenheit, Verbundenheit, Schutz, Verwurzelung, Hilfe, aber auch Enge, Angst, Wut, Verlassenheit, die Begrenzung geben, Identität stiften, ausgrenzen um eingrenzend Halt zu geben.
In der Jugend sind diese wohl oft verwoben, gebunden mit und an einen Raum, einem Konstrukt, das wir später immer mehr als relativ erleben. So verstanden können wir die Heimat verlassen, zu ihr zurückkehren, durch die Überbrückung von Distanz, aber auch den Schlüssel zu ihr verlieren und außen stehen wie ein Fremder, der durch die Lücken von Brettern schaut in einen Raum, der einmal Alltag war. Heimat kann hier das Normale bedeuten, eine sichere Umgebung, in der sich der Heimische auszukennen scheint, welche jedoch unsicher, fremd erscheinen kann, wenn jemand anderer sie mit seinem Leben füllt und unsere Spuren gleichsam verwischt bis zur Unkenntlichkeit, wie es ein dritter Anstrich einer einst farbenfrohen Tapete einer alten Wohnung zu tun vermag.
Wenn wir älter werden, bemerken wir, dass die Distanz auch gedanklicher, psychischer, kultureller, emotionaler, … Art sein kann. Heimat wird so zu etwas, dass man einen geistigen, sprachlichen, kulturellen, … Raum und gleichsam einen Nichtort nennen kann. Die eigene Sprache in einem fremden Land zu hören, die gleiche Metaphorik zu verwenden, gleiche Werte zu teilen, kann ein Stück Heimat bedeuten. Doch ist es dieses selbst, das uns Heimat ist oder ist es Erinnerung, erweckt durch das gesprochene Wort, die vertraute Geste, den eingehaltenen Wert, der uns ein Erinnerungsstück ins Gedächtnis ruft, welches Heimat für uns bedeutet, uns im Herzen ein Heim ist. Kann also Heimat dieses sein: Erinnerung? Vielleicht ja, aber nicht Erinnerung im Allgemeinen, das wäre zu entgrenzend, zu wenig Rückzugsort, zu wenig Ruhe stiftend. Es wäre ein Haufen von losen Brettern, kein Verbund, aber nur dieser kann, weiter und weiter zusammengefügt, zu etwas werden, das uns halten kann.
Erinnerung als Heimat darf also nicht nur gelebte Erinnerung sein, sie muss mit Leben erfüllte Erinnerung sein und zwar so erfüllend gefüllt, dass die Vorstellung Tag für Tag seines Lebens an diesen Nichtort von geschätzten Erinnerungen und Ort von Brücken, manchmal wackeligen Holzplanken, einem Ort, den man in den meisten seiner Facetten kennt, zurückzukehren, nicht wie eine Last den Schritt erschwert sondern ihn leichter macht. In diesem Aspekt ähnelt Heimat wohl dem Ort oder Nichtort, welcher der Liebe oder dem Geliebten ähnelt. In diesem Sinne kann Heimat ein Heim für unsere Erinnerungen werden, ein Heim, zu dem wir zurückkommen, oft in Liebe, manchmal in Schmerz und Wut, ein Heim, in dessen Räumen wir nicht vergehende Spuren hinterlassen, genauso wie alles Geliebte, ein Heim, für das wir am Ende unseres Lebens keinen Schlüssel brauchen um zu ihm zurückzukehren und letztlich es selbst werden – geliebte Erinnerung, welche als diese Teil der Heimat anderer werden kann.